Werner


Werner

Noch zehn Minuten Erdkunde, dann ist die Schulstunde vorbei und ich gehe nach Hause. Frau Melcher mag mich nicht! Ständig ignoriert sie mich, wenn ich aufzeige.

Natürlich kenne ich die Hauptstadt von Bulgarien. Und auch der höchste Berg Deutschlands, ist mir durchaus bekannt. Rita sieht heute wieder bezaubernd aus. Warum muß ich sie immerzu anschauen? Ich mag ihre Zöpfe und ihre winzigen Sommersprossen. Und ich mag ihr witziges Lächeln.

Ding-Dong!!! Die Stunde ist vorbei, die Klasse leert sich langsam. Ich habe Zeit, muss mich nicht beeilen. Draußen warten sicher wieder Werner und Dasi auf mich. Viel Zeit nehmen ist wichtig, um ihnen nicht unbedingt über den Weg zu laufen.

Nach einer Viertelstunde bin ich am Fahrradstand. Natürlich haben mir die Schweine das Ventil aus dem Reifen geklaut. Ich schiebe mein altes, klappriges Fahrrad als wieder mal nach Hause. Papa wird wieder schimpfen und mich einen Schwächling nennen…. „Na dann wehr dich doch endlich mal!“

Ob Rita das wohl gut fände, wenn ich mich wehren würde und Werner mal so richtig eine rein haute? Sicher hat sie Werner viel lieber als mich.

Der Tag ist so hell und warm. Bald schon sind Sommerferien. Wir haben Mitte Juni, die Vögel zwitschern. Alles riecht und blüht und lebt. Ich denke an Rita und schiebe langsam mein Fahrrad die staubige Straße entlang. Es gibt Fischstäbchen heute und Spinat und Kartoffelbrei, wie jeden Freitag.

Ich mag Freitage und ich mag Fischstäbchen. Mit zwölf mögen alle Kinder Fischstäbchen, glaube ich. Am Kiefernwäldchen stehen sie und warten auf mich. Werner will wieder Geld und Dasi macht sich über meine Klamotten lustig. Sie schubsen mich und Werner verpasst mir einen Schlag auf die Nase…

 „Verdammt dann wehr dich doch“, höre ich Papa wieder in meinem Kopf sagen. „Feigling!“ Tränen schießen mir langsam in die Augen. Wut, Schmerz, Erniedrigung. In meinen Gedanken lächelt Rita.

Ich bin stark und habe Kraft. Ich komme nach Hause ohne Fahrrad mit zerschlagenem Gesicht. Mit blutigen Schrammen und blauen Flecken. Ich will jetzt nur noch Fischstäbchen, Spinat und Mamas Kartoffelbrei.

Werner und Dasi, die beiden werden mich nie wieder verprügeln...

© Hansjürgen Katzer, März 2018



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