Kapitel 10

10. Lena und die Riesentorte

Eugen Balduin Munkelpietz lag schon längst wieder auf dem Sofa in Knollennases kleiner Hütte und versuchte sich auszumalen, wie groß die Freude der kleinen Lena wohl sein würde. Auch er war müde, aber er machte sich Sorgen. Knollennase war noch nicht wieder nach Hause gekommen.

Wahrscheinlich würde der Fischfang heute etwas länger dauern. Aber vielleicht war ja auch etwas Schlimmes passiert. Gegen sechs Uhr morgens schlief er dann doch endlich ein.

Der Bäckermeister hatte seine Arbeit um acht Uhr in der Frühe beendet. All das gute Brot und auch die Brötchen waren ihm wohl gelungen. Nun wollte er der kleinen Lena im Waisenhaus, die große Geburtstagstorte vorbeibringen. Käthe war sehr traurig, denn sie musste in der Bäckerei bleiben und sich um den Verkauf der Brötchen und des Brotes kümmern. Als sich der Meister von seiner Tochter verabschiedete, sagte diese:

,,Lieber Vater, mache heute zur Feier des Tages einmal ein freudiges Gesicht und gratuliere der kleinen Lena auch von mir recht herzlich. Vielleicht kannst du sie ja auch einmal zu uns einladen, denn auch ich würde sie gern einmal kennen lernen.“

Der Bäcker nickte versonnen, nahm die Tortenschachtel mit der Geburtstagstorte und verließ das Haus. Er musste recht schwer tragen, aber das machte ihm heute seltsamerweise nichts aus. Nach einer halben Stunde hatte er das Waisenhaus erreicht und stand nun vor dem Eingang. Eine Nonne kam heraus und fragte ihn was er denn wohl wolle.

,,Ich habe hier eine Überraschung für ein kleines Mädchen, namens Lena. Sie hat nämlich heute Geburtstag!“

Die Nonne wollte ihn abweisen, aber der Bäckermeister blieb standhaft.
,,Nein, ich gehe nicht bevor ich diesen Karton hier persönlich abgeliefert habe!“

Schließlich holte die Nonne, die Mutter Oberin und diese ließ den Bäcker dann nach einem längeren Gespräch in das Haus hinein. Sie führte den Bäckermeister in einen großen Raum, der kärglich eingerichtet, aber makellos sauber war. Einige Tische standen hier und viele Stühle waren um die Tische herumgestellt.

,, Das ist unser Essraum,“ sagte die Mutter Oberin.

Dann wies sie die Nonne, die den Bäcker nicht einlassen wollte an, das sie die kleine Lena in den Raum bringen sollte. Später wendete sie sich wieder an den Bäckermeister.

,,Lena Fitek und ihre beiden Brüder sind seit ungefähr einem halben Jahr hier und wir haben doch reichlich Ärger mit den dreien. Sie sind faul, vorlaut, haben immerzu das letzte Wort und außerdem scheinen sie sehr verwöhnt.“

,, So, so!“ antwortete der Bäcker.

Dann erschien die Nonne und an ihrer Hand hielt sie ein kleines Mädchen mit blonden Zöpfen. Der Bäcker ging in die Knie und hielt dem Mädchen die große Tortenschachtel mit den vielen Schleifen hin.

,, Hallo, kleine Lena! Ein guter Geist schickt mich mit diesem Geschenk zu dir und wünscht dir alles Gute zum Geburtstag und diesen Wünschen möchte ich mich anschließen.“

Die kleine Lena hatte den Bäckermeister erkannt und sah ihn ängstlich an.

,, Ach, Lena, du brauchst keine Angst vor mir haben. Das ich euch gestern von meinen Laden vertrieben habe, das war nicht gerade nett von mir und dafür möchte ich mich auch noch mal entschuldigen. Übrigens mein Name ist Dornbeitel, Franz Dornbeitel!“

Er reichte ihr behutsam seine große Hand.

Nun hatte das Mädchen ein wenig Zutrauen gewonnen und kam mit kleinen Schritten auf den Bäcker zu.

,,Ein Geschenk für mich, ist das wirklich wahr?“

Der Bäckermeister nickte.

,,Warte am besten, ich stelle die Schachtel auf den Tisch, dann kannst du die Schleifen in aller Ruhe lösen.“

Auch die Mutter Oberin und die Nonne waren nun recht neugierig geworden.
Lena stand nun auf einem Stuhl und löste die Schleifen von der großen Schachtel. Der Bäcker half ihr ein wenig und nahm dann den Deckel ab. Die Augen der kleinen Lena begannen zu leuchten, und den Bäcker wurde ganz festlich zumute.

,, Eine Torte, eine Riesentorte! Eine wunderschöne Geburtstagstorte mit sechs Kerzen darauf,“ stammelte Lena fassungslos.

Der Bäckermeister nahm die Torte aus der Schachtel heraus und stellte sie auf den Tisch. Dann kramte er in seinen Taschen und zog eine Streichholzschachtel heraus. Vorsichtig zündete er ein Streichholz an und es entfachte mit leisem Knistern.

Der Bäcker steckte die Kerzen der Torte mit dem Streichholz an und die Kerzen brannten mit hellem Schein. Er reichte dem Mädchen die Hand und fühlte sich so gut, wie selten zuvor in seinem Leben.
,,Nochmals alles Gute auch von mir, Lena!“

Das Mädchen umarmte den Bäcker und hauchte ihm mit ihrer zarten Kinderstimme ein leises Dankeschön in dessen Ohr.

Die Mutter Oberin hatte das ganze mit etwas Abstand beobachtet. Nun hatte sie ganz feuchte Augen bekommen.

,,Können wir die Torte anschneiden? Jedes Kind soll ein Stück bekommen!“

Lena sah die Mutter Oberin mit festem Blick an. Diese nickte nur.

,, Ja, das machen wir.“

Die Nonne wurde losgeschickt um der Küche Bescheid zu geben, dass man Teller benötigte. Außerdem sollte einige große Kannen Kakao gekocht werden. Dann ging sie selber los um alle anderen Kinder zu holen.

Es wurde ein wunderschöner Geburtstag, der anschließend gefeiert wurde. Jedes Kind bekam ein Stück von der Torte und dazu leckeren Kakao. Dreißig Kinder hatten Spaß und Freude und für eine kurze Zeit war der traurige Alltag im Waisenhaus vergessen. Man sang lustige Lieder und sogar die Nonne, die sonst immer so abweisend und mürrisch war, schien wie ausgewechselt.
Bäcker Dornbeitel lud Lena und ihre beiden Brüder Johannes und Martin für den kommenden Sonntag in sein Haus ein, damit sie seine Tochter Käthe kennen lernten.

Dann verabschiedete er sich von den Kindern und ging. Die Mutter Oberin begleitete ihn noch ein Stück des Weges und reichte ihn zum Abschied die Hand.

,,Sie haben diesem Mädchen einem wunderschönen Tag geschenkt und mich sehr nachdenklich gemacht. Ich glaube ich muss meine Einstellung gegenüber den Kinder ein wenig überdenken und neu ordnen!“

„ Auch ich habe viele Vorurteile gehabt, antwortete der Bäcker. Aber sie waren sehr dumm und kleinkariert. Ihr Waisenhaus wird in nächster Zeit Geld brauchen, denn es gibt allerlei zu reparieren und auszubessern. Dabei möchte ich ihnen helfen und ich werde auch mit den Mitgliedern der Handwerksinnung sprechen.“

Als er wieder zu Hause war, legte er sich sofort ins Bett. Er war furchtbar müde. Aber für alles Geld der Welt wollte er diesen besonderen Tag in seinem Leben nicht mehr missen.






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Eugen Balduin Munkelpietz

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