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Gedichte die das Leben schrieb |
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© Hansjürgen Katzer 2011
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2. Aufbruch
Der Winter dauerte recht lange. Immer wieder schneite es äußerst ergiebig und Eugen Balduin Munkelpietz kam mit dem Schneeschaufeln kaum nach. Die Vorbereitungen für die Suche nach seinen Freunden von einst waren nun fast abgeschlossen. Er hatte sich einen kleinen Rucksack genäht und einen Proviantbeutel. Die Wanderschuhe waren neu besohlt und die Knöpfe an seinem Wichtelwams wieder vollständig angenäht worden.
Jeden Tag fand der Wichtel eine neue Sache, die noch unbedingt erledigt werden musste. Er fieberte schon regelrecht dem Tag entgegen, an dem der letzte Schnee dem Frühjahr gewichen war. Oft hatte er Besuch in seiner kleinen Wichtelhöhle. Meist war es Walburga Wichtig, die ihm Gesellschaft leistete. Aber auch Rotschweif Fuchs, Grimmbart der Dachs und der Igel waren des öfteren zugegen. Dann saßen sie gemeinsam in der behaglichen Wichtelstube in gemütlichen kleinen Sesseln, tranken Tee oder ein Gläschen Wachholderwein und schmauchten genüsslich ein Maiskolbenpfeifchen. Rotschweif erzählte aus seinem abenteuerlichen Leben und manchmal sang man gemeinsam ein lustiges Lied und Grimmbart spielte auf seiner alten Mundharmonika.
Ja, es waren wirklich schöne Stunden, voller Eintracht und Frieden. Dann kam der März und die Schneeschmelze setzte ein. Von Tag zu Tag wurde es ein wenig wärmer und der Tag des Aufbruches und des Abschiednehmens rückte immer näher. Eines Tages saß der Wichtel wieder mit Walburga Wichtig in der warmen Wichtelstube. „In zwei Tagen werde ich aufbrechen und mich auf den Weg machen,“ sagte er urplötzlich. Nervös fuhr er sich über die rote Zipfelmütze, die er wie immer auf dem Kopf trug. „Jetzt oder nie, mehr Zeit darf ich nicht verlieren. Wir haben ja schon bald April. Wenn ich sie wirklich finden will, dann muss ich nun aufbrechen!“
Walburga Wichtig, die ihm zugehört hatte spürte auf einmal, wie ihr richtig warm um ihr altes Eulenherz wurde. Sie würde den Wichtel ganz schrecklich vermissen. Wahrscheinlich würde der Wichtel recht bald wiederkehren, aber wer wusste schon welche Gefahren in der großen, weiten Welt da draußen auf ihn lauerten. „Was ist mit dir, du bist heute so schweigsam!“ Der kleine Wichtel sah die alte Eule an.
„Ach nichts, erwiderte diese und wiegte ihren Kopf. Ich bin nur ein wenig traurig, das du jetzt bald gehst. Ich werde dich sehr vermissen, kleiner Freund! Aber du hast Recht, es wird Zeit, dass du aufbrichst und hab keine Angst, alles wird gut werden!“ Dann schwieg sie wieder und sah sich das Gesicht des Wichtels noch einmal ganz genau an um es sich ganz fest einzuprägen. Später am Nachmittag, nachdem die Eule gegangen war klopfte es an der Tür der Wichtelhöhle. Eugen Balduin Munkelpietz öffnete und Grimmbart der Dachs trat ein. „Guten Tag Eugen Balduin, begrüßte er den Wichtel. Du wirst nun bald aufbrechen hat mir Walburga Wichtig berichtet!“
„Ja das stimmt, antwortete der Wichtel. Übermorgen in aller Frühe werde ich aufbrechen. Ich habe zwar ein wenig Angst vor der mir so unbekannten Welt da draußen, aber wie sagst du noch immer? Frisch gewagt ist halb gewonnen!“ Der Dachs nickte anerkennend. „So ist es recht Eugen Balduin, nur Mut! Sicherlich wird deine Suche sehr anstrengend werden, aber sie wird auch voller Erlebnisse und Abenteuer sein!“ Sie tranken noch ein Glas Wachholderwein und als sich Grimmbart dann verabschiedete überreichte er dem Wichtel einen kleinen Beutel aus Ziegenleder. „Lieber Eugen Balduin, sagte er und räusperte sich. Hier in diesem Beutel, den ich dir nun überreiche befindet sich ein letzter Rest Elfenstaub. Vielleicht hast du schon einmal davon gehört! Dieser Staub macht dich, wenn du ihn über dein Haupt streust für einen Tag unsichtbar. Vielleicht kannst du dieses kleine Geschenk irgendwo einmal gut gebrauchen, wer weiß es schon. Übrigens gehörte dieser Beutel einst Gork, dem bösen Zauberer. Er hat ihn damals hier im Wald verloren und ich habe ihn dann gefunden!“
Bei dem Namen Gork, hatte sich Eugen Balduin Munkelpietz furchtbar erschrocken und der Beutel mit dem Elfenstaub war ihm aus den Händen entglitten. Sein Gesicht war kalkweiß geworden. „Keine Angst, beruhigte ihn Grimmbart. Gork hat diesen Elfenstaub der Elfenkönigin Aladria gestohlen, aber er hat ihn so weit ich weiß, nie benutzt.“ Er hob den Lederbeutel vom Fußboden auf und legte ihn auf den Tisch, der sich in der Mitte der Wichtelstube befand. Er umarmte den kleinen Wichtel und gab ihm einen freundschaftlichen und aufmunternden Klaps auf den Rücken. „So und nun gehe ich. Wir sehen uns übermorgen und werden dann Abschied nehmen!“
Die Nacht verbrachte Eugen Balduin Munkelpietz sehr unruhig. Mehrmals erwachte er recht unsanft aus seinen Träumen. Am nächsten Morgen fühlte er sich schwach und alle Euphorie, die noch gestern in ihm steckte war entschwunden. Das Frühstück wollte ihm überhaupt nicht schmecken und auch im Mittagessen, bestehend aus Brennnesselsalat und Rührei stocherte er nur herum. Ein Traum den er in der vergangenen Nacht gehabt hatte, ging ihm nicht mehr aus dem Kopf. Der Traum war recht undeutlich gewesen und ein großer, hässlicher, schwarzer Rabe spielte eine wichtige Rolle darin, ein Rabe mit blutverschmierten Krallen. Den ganzen Tag über wartete Eugen Balduin darauf, dass jemand zu Besuch kam und ihn etwas aufheiterte. Aber es kam niemand. So überprüfte er noch einmal seinen Rucksack in dem er seine Reiseutensilien verstaut hatte. Auch den Lederbeutel mit dem Elfenstaub legte er noch hinzu. Dann wartete er darauf das es Abend wurde und das die Nacht hereinbrach. Als das letzte Licht des Tages verschwunden war, zog er sich das Wichtelwams aus, legte sein weißes Nachtgewand an und ging zu Bett. Die letzte Nacht in seinem kleinen warmen Wichtelbett. Doch in dieser Nacht wurde er von bösen Träumen verschont.
Dann war der Morgen des Aufbruches gekommen. Es war noch stockfinster als der kleine Wichtel erwachte. Rasch hatte er sich gewaschen und angekleidet, im fahlen Licht einer alten Kerze aus Bienenwachs. Später dann, war er in die Speisekammer gegangen und hatte sich seinen Proviantbeutel mit allerlei köstlichen und nahrhaften Dingen vollgepackt. Auch die große, lederne Trinkflasche hatte er nicht vergessen. Beim ersten Morgengrauen stand er nun vor seiner Wichtelhöhle, bereit zu gehen und traute seinen Augen nicht.
Ringsherum um die alte Eiche hatten sich die Tiere des Waldes versammelt. Alle waren sie gekommen um Eugen Balduin Munkelpietz Lebewohl zu sagen und der Wichtel war zu Tränen gerührt. Rotschweif der Fuchs kam zu ihm und legte ihm die Pfote auf die Schulter. „Mach es gut mein Lieber! Wir sind alle gekommen um Abschied zu nehmen und um dich bis zum Waldrand zu begleiten!“
Eugen Balduin Munkelpietz verabschiedete sich von jedem persönlich. Sogar Bräsig, dem Wildschweinkeiler streichelte er über den Kopf, obwohl er ihn nicht sonderlich mochte, weil er immer ganz furchtbar nach Morast roch. Dann war ein Tross von Tieren, in deren Mitte sich ein kleines Wichtelmännchen befand zum Waldrand geschritten. Grimmbart der Dachs hatte noch eine kleine Rede vorbereitet in der er den kleinen Wichtel noch einmal in den allerhöchsten Tönen lobte und ihm alles, alles Gute wünschte. Kurz darauf war Eugen Balduin Munkelpietz dann losmarschiert, ohne sich noch einmal umzudrehen, immer der Sonne entgegen.
Vieles ging ihm plötzlich in seinem kleinen Wichtelkopf herum. Er hatte nie gedacht, das ihn so viele Tiere des Teufelswaldes als ihren Freund betrachteten. Nach einer Weile begann er ein lustiges Liedchen zu pfeifen und kam sich ganz mutig vor.
© Hansjürgen Katzer, 1997
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