7. Die Verwandlung des Gutsherrn, in einen guten Menschen
Zwei Tage und zwei Nächte ließ Eugen Balduin Munkelpietz den Gutsherrn schmoren. Die Gendarmen hatten das ganze Dorf Thuine und auch das angrenzende Umland durchsucht, aber das Geld war nicht wieder aufgetaucht. Nun sollte der Gutsherr seine zweite Lektion erhalten. Wieder machte sich der Wichtel mit Hilfe von ein wenig des Elfenstaubes unsichtbar. Dann trieb es ihn wieder eilig zum Schloss des Gutsherrn. Er rannte so schnell, dass er den alten, schwarzen Raben gar nicht sah, der ihm hoch in der Luft folgte.
Die Hunde waren heute nicht zu sehen und so gelangte der Wichtel unbehelligt in das Schloss. Der Gutsherr saß in seinem Kaminzimmer und grämte sich sehr. Er war nun ein armer Mann. Wie sollte er nun bloß das Schloss und die zahlreiche Dienerschaft unterhalten und bezahlen. Das Leben hatte ihn bitterlich bestraft. ,,Ach ich Unglückseliger, schalt er sich selbst. Ach hätte ich doch nur mein Geld zurück, ich würde ein ganz neues Leben beginnen!“
,,Das glaube ich dir nicht,“ mischte sich der unsichtbare Wichtel in die Klagen des Gutherrn ein. Dieser fuhr entsetzt auf und sah im Zimmer umher. ,,Wo bist du? Und wer bist du? Ich kann dich gar nicht sehen!“
Der Wichtel wartete einen kurzen Moment, dann antwortete er. „Ich bin der Geist der Geldgier und der Raffsucht. Ich bin ein sehr boshafter Geist, viel boshafter und geldgieriger als du und deshalb habe ich dir dein ganzes schönes Geld weggenommen, ha, ha!“
„Aber das ist sehr gemein von dir, schimpfte der Gutsherr. Und was kann ich tun, damit du mir mein Geld wiedergibst?“ Der Wichtel überlegte einen kurzen Moment. „Wenn du mir einen Menschen zeigst, dem du jemals etwas Gutes getan hast, so gebe ich dir einen Teil deines Geldes wieder.“ Nun musste der Gutsherr überlegen. Aber ihm fiel beim besten Willen niemand ein. Schweigsam saß er in seinem Sessel und dachte angestrengt nach. „Bist du noch da?“
,,Ja aber ich werde bald gehen, wenn du mir niemanden nennen kannst!“ ,,Nein bleib,“ nun war der Gutsherr sehr nachdenklich geworden. ,,Es tut mir leid, aber ich kann dir niemanden nennen. Ich war mein Leben lang ein Schuft und habe immer nur an mich gedacht. Doch das eine verspreche ich dir. Ich werde mich ändern, so wahr ich Johannes Otto von Hohenfels heiße! Meine Diener will ich von nun an voller Herzlichkeit und Toleranz behandeln und meine Frau soll nie wieder ein böses Wort von mir hören. Außerdem werde ich all meine Pächter in Zukunft mit Ehrfurcht und Respekt behandeln. Sie sollen es gut bei mir haben und ich will jedem von ihnen drei Silberstücke zum Geschenk machen!“
„Und was wird aus dem Müller?“ Der Wichtel stampfte mit dem fuss auf und blickte finster drein. ,,Aber ja doch, der Müller Macke! Ich werde ihn morgen in aller Frühe aus der Haft entlassen!“
,,Und du wirst einen Vertrag aufsetzen, mit dem du ihm die Mühle als Eigentum überschreibst!“ Der Gutsherr überlegte einen kurzen Augenblick. ,,Gut so sei es, aber nur wenn ich mein Geld zurückbekomme!“ Der Wichtel lachte nun auf und klang ein wenig heiser. ,,Gut, wenn du all deine Versprechen einhältst, sollst du dein Geld zurückbekommen! Bis auf zweihundert Silberstücke, die werde ich für mich behalten. Denn ich sagte dir ja bereits, ich bin der Geist der Geldgier und der Raffsucht. Morgen früh wirst du dein Geld zurück erhalten!“ Der Gutsherr nickte: ,,Ich bin einverstanden.“
Dann wurde es ruhig, denn der Wichtel hatte den Raum inzwischen verlassen. Es wurde Abend, es wurde Nacht. Gegen Mitternacht begab sich der Gutsherr in sein Schlafgemach. Eugen Balduin Munkelpietz hatte ihn in den letzten Stunden sehr genau beobachtet. Und es schien ihm, als würde der Gutsherr sich wirklich an all seine Versprechungen halten. Er hatte den Koch gelobt, für das gute Essen und er hatte seiner Frau, liebevolle Komplimente gemacht. Als der Wichtel sich sicher war, dass der Gutsherr fest schlief, schleppte der dessen Geld aus dem Versteck zurück in die riesige Eingangshalle des Schlosses. In die Truhe wollte er es lieber nicht zurücklegen, denn der Gutsherr hätte davon erwachen können.
Es war wieder Morgen geworden, als er seine Arbeit beendet hatte. Die zweihundert Silberstücke, die ihm gehören sollten, hatte er vorsichtshalber schon am großen Tor, das zum Schloss führte deponiert. Er ging zum Schlafgemach des Gutsherrn und rüttelte diesen wach.
,,Was gibt´s?“ fragte der Gutsherr mürrisch. ,,Euer Geld mein Herr, es liegt in der großen Eingangshalle. Ich habe es wie versprochen zurückgebracht.“
Mit einem Satz war der Gutsherr nun aus dem Bett gesprungen. Er zog sich seine Filzpantoffel an und eilte in die große Halle. Als er all seine Taler und Silbermünzen dort liegen sah, tanzte und lachte er. ,,Hurra, Hurra, mein Geld ist wieder da!“ Er war so laut, dass die ganze Dienerschaft davon erwachte und herbeigelaufen kam.
Der Wichtel aber, war schon längst wieder auf dem Weg zur Mühle. Gegen Mittag kehrte der Müller zurück. Der Gutsherr hatte sein Versprechen eingehalten und ihn in die Freiheit entlassen. Die Freude im Müllerhaus war riesengroß und ausgelassen. Die Müllerin stellte ihrem Gatten, den kleinen Wichtel vor. ,,Mein lieber Mann, das hier ist, sagte sie und zeigte auf den Wichtel. Das ist Herr Munkelpietz, ein Wichtel. Er wohnt in einem fernen Wald und er hat dir und uns die Rettung gebracht!“
Der Müller gab dem Wichtel die Hand und dankte ihm nochmals, denn inzwischen hatte ihm seine Frau die ganze Geschichte erzählt. Dann klopfte es an der Tür und der Wichtel musste sich verstecken. Der Gutsherr trat zur Tür herein, zwei seiner Diener im Gefolge. Er sah verlegen zu Boden und entschuldigte sich für das, was er dem Müller und dessen Familie angetan hatte. Zum Schluss seiner Rede übergab er dem Müller ein Schriftstück. ,,Mit diesem Vertrag hier, überschreibe ich dir Müller, das Eigentum an der Mühle. Sie gehört nun dir. Du bist ein freier Müller und brauchst niemandem mehr Rechenschaft abgeben!“
Der Müller wäre dem Gutsherrn am liebsten um den Hals gefallen. Aber das ließ er dann doch sein. Er bedankte sich und wollte den Gutsherrn noch zu einem Glas Wein einladen, was dieser dankend ablehnte.,,Nein, guter Müller. Ein anderes Mal recht gern, aber heute habe ich keine Zeit. Ich wünsche euch alles Gute und eine Zusammenarbeit zwischen uns beiden, die diesen Namen auch verdient.“
Dann ging er. Der Müller jauchzte und jubelte. Das hatte er nun wirklich nicht erwartet. Ein großes Fest wurde gefeiert und der Wichtel war der Ehrengast. Er blieb noch ein ganze Woche im Haus des Müllers. Marcel war in der Zwischenzeit wieder ganz gesund geworden und Eugen Balduin Munkelpietz hatte beschlossen, dass er den Doktor, der den Jungen nicht hatte behandeln wollen noch einmal ungestraft davonkommen lassen wollte. ,,Gnade vor Recht!“
Der kleine Marcel und der Wichtel, sie waren echte Freunde geworden. Stundenlang redeten sie miteinander und es waren zumeist sehr ernsthafte Gespräche. Dann war die Stunde des Abschieds da. ,,Wir werden uns sicher wiedersehen, das schwöre ich dir bei meiner Wichtelehre.“ Der Wichtel versuchte den Jungen zu trösten. ,,Nimm mich doch mit. Ich bin schon groß, größer sogar als du. Bestimmt kann ich dir bei deiner Suche nach den anderen Zwergen und Wichteln aus dem Teufelswald helfen, oder glaubst du nicht?“
Der Wichtel lächelte und strich dem Jungen über die Schulter. ,,Sicher könntest du mir helfen. Aber wenn ich dich mitnehmen würde, dann wären dein Vater und deine Mutter ganz traurig. Und deine kleine Schwester, wer würde mit ihr spielen?“
Marcel überlegte. ,,Du hast recht, ich kann nicht fort. Ich muss hier bleiben!“ Der Wichtel nickte und verabschiedete sich noch einmal von der gesamten Müllerfamilie. Die Müllerin hatte ihm den Proviantbeutel mit nahrhaftem Essen vollgepackt. Sie überreichte den Beutel dem Wichtel. ,,Hier kleiner Freund, damit du auf deiner weiteren Reise nicht verhungerst. Und nochmals Danke, für alles was du für uns getan hast. Wir werden dich nie vergessen!“
Zum Abschied küsste sie den Wichtel noch einmal und diesmal wurde er nicht rot, nein diesmal war er ihm eine Ehre. Dann ging er und die Müllerfamilie winkte ihm noch lange nach. ,,Mach es gut Eugen Balduin Munkelpietz, viel Glück auf deiner Reise!“
© Hansjürgen Katzer, 1997
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